Salurner Straße

Stadtteil Wilten

Salurner Strasse 3 November 2008 © Thomas Kleissl

Salurner Straße 3

Friedrich Pasch lebte mit seiner Frau Rosa, geb. Stiassny und den Töchtern Trude und Dora („Dorli“) in der Salurner Straße 3. In der Pogromnacht wurde zwischen ein und zwei Uhr die Wohnung verwüstet und die 15-jährige Dora verletzt. Ihr Vater wurde von der Gestapo verhaftet, gequält und am 22. November aus der Haft entlassen.

Tochter Ilse gelang bereits im Oktober 1938 die Ausreise nach England. Ihre Geschwister und Eltern wurden nach Wien zwangsumgesiedelt, von wo sie ihre Flucht vorbereiteten. Dora kam mit einem Kindertransport über Holland nach England, wo sich im Mai 1939 alle Familienmitglieder wiedersahen.

Die Wohnung und das  „Modenhaus Friedrich Pasch“ in der Maria-Theresien-Straße 21 wurden von Gauhauptstellenleiter Walter Veith arisiert.

Modenhaus Friedrich Pasch, Maria-Theresien-Strasse 21, 1938

Maria-Theresien-Straße 21 – Modenhaus Friedrich Pasch, 1938 (a)

Friedrich Pasch stirbt im Dezember 1944 nach einem Herzanfall und Rosa Pasch im April 1958 in London.

Dorli Pasch heiratete den Wiener Ernst Neale (früher Nagel), wurde Modedesignerin und besuchte Innsbruck zuletzt im Jänner 2009 zur Präsentation der Lehr-DVD „Das Vermächtnis – Verfolgung, Vertreibung und Widerstand im Nationalsozialismus“ . Ausschnitte aus den Interviews von dieser DVD sind auf der Homepage von erinnern.at zu sehen. Am 12. Jänner kam es zu einer Begegnung von Dorli Neale mit SchülerInnen und LehrerInnen ihres ehemaligen Gymnasiums Sillgasse, wo sie aus ihrer Schulzeit und von ihrer Flucht erzählte. Eine Zusammenfassung dieser Begegnung wurde von Prof.in Heidi Unterhofer verfasst. (1)

Am 13. Jänner 2009 führten Mag.a Irmgard Bibermann und Dr. Horst Schreiber ein Gespräch mit Dorli Neale im Festsaal des Landesschulrates für Tirol, welches von Emir Handzo auf Video aufgezeichnet wurde. (Dauer ca. 35 min)

Interview mit Dorli Neale from FauxPauxProductions on Vimeo.

Am 14. August 2016 ist Dorli Neale kurz vor einer geplanten Urlaubsreise in London gestorben. (3)


Salurner Strasse 8März 2010 © Manfred Mühlmann

Salurner Straße 8

Der aus Hohenems stammende Siegfried Landauer wohnte mit seiner Frau Laura, geb. Zentner und den gemeinsamen Töchtern Johanna und Irma in der Salurnerstraße 8. Hans und Ernst David Heuer, die Kinder von Selda Lea, geb. Weiner und Dr. Munisch Heuer, wohnten seit der Wohnungsauflösung in der Amthorstraße 2 vorübergehend bei der Familie Landauer.

In der Pogromnacht drangen Nazi-Schergen in die Wohnung ein und zerstörten die Einrichtungsgegenstände. Siegfried Landauer wird blutig geschlagen und verhaftet. Die Frau und Kinder kommen mit dem Schrecken davon. Während sich der 7-jährige Hans unter dem Sofa versteckte, verharrte sein 10-jähriger Bruder Ernst David mit einem Taschenmesser still unter seiner Bettdecke.

Siegfried, Laura, Johanna und Irma Landauer (b)

Der 27-jährige Sohn Leonhard Landauer flüchtete bereits nach dem „Anschluss“ im März 1938 in die Schweiz. Seine Eltern und Schwestern müssen am 24. November 1938 nach Wien zwangsumsiedeln und werden bald festgenommen. Ende Mai 1942 werden sie nach Maly Trostinec deportiert und dort am 1. Juni 1942 ermordet. Leonhard überlebt als einziger.

Dr. Munisch Heuer hatte eine Arztpraxis in der Pradler Straße 41 und wohnte mit seiner Familie in der Amthorstraße 2. Er wanderte rechtzeitig nach Kaunas (Kowno) in Litauen aus. Seine Frau Selda Lea war in der Pogromnacht nicht in Innsbruck, denn sie besorgte Visas für sich und die Kinder in Wien. Auch sie und ihre Kinder verlassen am 24. November 1938 Innsbruck Richtung Wien und weiter nach Litauen. 1942 wird die gesamte Familie Heuer verhaftet. Hans und Selda Lea werden 1944 im KZ-Stutthof ermordet, Munisch stirbt 1945 bei der Befreiung der Lager von KZ-Kaufering durch eine amerikanische Bombe. Ernst David überlebt als einziger und schreibt als David Ben-Dor die Geschichte seines Lebens nieder. (Guggenberger)


Salurner Strasse 11

November 2008 © Thomas Kleissl

Salurner Straße 11

Im 3. Stock des Hochhauses Salurner Straße 11 befand sich der Sitz der SS-Standarte, wo sich die Befehlsgeber und Mitglieder der SS in der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 nach den traditionellen Appellen am Adolf-Hitler-Platz (Landestheater) in Zivil einfanden. SS-Oberführer Johann Feil erteilte im Beisein von SS-Standartenführer Erwin Fleiss und im Sinne von Gauleiter Franz Hofer, dass sich „der Volkszorn gegen die Juden richten müsse“, den Männern einen klaren Auftrag: Die männlichen, in der Gänsbacherstraße wohnhaften Juden auf lautlosem Weg umzubringen. (Oswald)

Daraufhin zogen die zusammengestellten Rollkommandos mit klaren Aufträgen in die jeweiligen Stadtteile, um gewaltsam gegen die jüdischen Familien vorzugehen.


update 15.03.2018

Hinweis:

Die Fotos der Familie Landauer wurden mir vom Jüdischen Museum Hohenems zur Verfügung gestellt und stammen vom Familienforschungsprojekt Hohenems Genealogie. Mein Dank gilt dem Jüdischen Museum Hohenems und insbesondere Junia Wiedenhofer.

Literatur:

Thomas Albrich (Hg.) < Die Täter des Judenpogroms 1938 in Innsbruck > Haymon Verlag Innsbruck-Wien 2016, S 240,

Christoph W. Bauer < Graubart Boulevard > Haymon Verlag Innsbruck-Wien 2008

Christoph W. Bauer < Im Alphabet der Häuser - Roman einer Stadt > Haymon Verlag Innsbruck-Wien 2007, S 275

Christoph W. Bauer < "Viel vor Augen und kein Blatt vor dem Mund - Eine Begegnung mit Dorli Reale" > in: Die zweite Fremde – Zehn jüdische Lebensbilder, Haymon Verlag Innsbruck-Wien 2013, S 45-62

David Ben-Dor < Die schwarze Mütze > Reclam Verlag Leipzig 2000

David Ben-Dor < Befreit. Mein Weg zurück ins Leben >Reclam Verlag Leipzig 2001

David Bullock < Über Nacht war ich Jüdin > in: Echo 02/2009, S 48-49

Michael Guggenberger < Unbekannte Täter im Novemberpogrom in Innsbruck > in: Thomas Albrich (Hg.) – Die Täter des Judenpogroms 1938 in Innsbruck, Haymon Verlag Innsbruck-Wien 2016, S 361-363

Gretl Köfler <  Die „Reichskristallnacht“ > in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.) – Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934 bis 1945 – Österreichischer Bundesverlag Wien 1984, Band 1, S 448-462

Maximilian Oswald < SS-Oberführer Johann Feil > in: Thomas Albrich (Hg.) – Die Täter des Judenpogroms 1938 in Innsbruck, Haymon Verlag Innsbruck-Wien 2016, S 28-31

Horst Schreiber <  Jüdische Geschäfte in Innsbruck – Eine Spurensuche > Projekt des Abendgymnasiums Innsbruck; Tiroler Studien zu Geschichte und Politik 1, Michael-Gaismair-Gesellschaft (Hg.) , StudienVerlag 2001

Horst Schreiber < "Dora Pasch-Neale: Mit einem Kindertransport in die Freiheit", > in: Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol und Südtirol – Opfer . Täter . Gegner, Tiroler Studien zu Geschichte und Politik, Michael-Gaismair-Gesellschaft, StudienVerlag 2008, S 282-283

Gad Hugo Sella < Die Juden Tirols – Ihr Leben und Schicksal >Israel 1979

Ernst Oppenheim < To Remember Me By - First Crusade Through Holocaust - Facts, Fragments, Lore and Legends > Nobis Press 2001

Bildnachweis:

(a) © Stadtarchiv / Stadtmuseum Innsbruck 

(b) Fotos Familie Landauer © Jüdisches Museum Hohenems

Quellen:

(1) http://www.lesen.tsn.at/index.php?menu=3&con_id=4317 – visit 29.03.2010

(2) Video Dorli Neale – http://vimeo.com/3801353 – visit 02.11.2009

(3) Email Irmgard Bibermann 18.08.2016

Valerie Neal – Email

Dorli Neale Audioguide erinnern.at – https://www.dropbox.com/sh/fmq2ny6n8uc5778/b-wTtDjCxU/DorliNeale-Audioguide.mp3

The Central Database of Shoah Victims´ Names – http://www.yadvashem.org/wps/portal/!ut/p/_s.7_0_A/7_0_9E

Hohenems Genealogie – Siegfried Landauer – visit 25.10.2013

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