Beethovenstraße

Stadtteil Saggen

Beethovenstrasse 5

November 2008 © Thomas Kleissl

Beethovenstraße 5

Julius Popper war mit Laura Weiß verheiratet, sie hatten zwei Söhne, Siegfried und Robert und wohnten seit 1936 im 1. Stock der Beethovenstraße 5.

In der Pogromnacht läutete es um cirka 2:30 Uhr an der Tür Sturm, 10 SA-Männer stürzten in die Wohnung und brachten das Ehepaar mit einem Auto zur Sillmündung in der Nähe der Foradori Fabrik, später Tiroler Lodenfabrik. Dort warfen sie das Ehepaar in den Fluss. Die 65-jährige Laura konnte sich und ihren auf einem Auge erblindeten 75-jährigen Mann ans Ufer retten. Danach baten sie bei Franz Scheucher, dem Portier der Foradori Fabrik in der General-Eccher-Straße um Einlaß. Anstatt die Rettung für den erschöpften Mann zu verständigen, wurde die Polizei alarmiert und Julius Popper verhaftet. Laura Popper versucht bei befreundeten Familien Zuflucht zu finden. Auf ihrem Weg durch den Innsbrucker Saggen besucht sie die Familien Bauer und Graubart und wird Zeugin des blutigen Ausmaßes des Pogroms. Dann besorgt sie sich bei Fanny Krieser in der Bienerstraße 27 trockene Kleidung und bringt diese zur Gestapo in die Bienerstraße 8, wo ihr eine Angestellte half, die Kleidung an Julius weiterzureichen. Dann begibt sich sich zu Johanna Kappelsberger in die Templstraße 8, wo sie ein verwüstetes Haus vorfindet. Die Nacht musste sie im Versicherungsbüro ihres Mannes in der Maria-Theresien-Straße 34 verbringen, da die Einrichtung der Wohnung zerstört war. (1, 3)

Sill, Jänner 2013 © Thomas Kleissl


Julius Popper
 war von 1900 bis 1914 Vertreter von Schiffahrtsgesellschaften und arbeitete u.a. für die Reedereien United States Line, Red Star Line und White Star Cunard Line. Von 1918 bis 1938 war er für die Versicherung Victoria zu Berlin in Tirol und Vorarlberg tätig. Nach dem Anschluß im März 1938 wurde er entlassen. (2)
Laura Weiß wurde in Bielitz an der Grenze von Deutschland und Polen geboren und entstammt der kinderreichen Familie von Solomon und Klara Weiß.

Von links: Robert, Laura, Siegfried und Julius Popper, Foto: Courtesy of Leo Back Institute (a)

In ihrer früheren Wohnung in der Falkstraße 27 im Saggen veranstaltete die musikalische Familie regelmäßig Kammerkonzerte. Julius besaß eine grosse Instrumentensammlung (Violinen, Violas und Celli) und spielte selbst Geige. Laura spielte Klavier und Harmonium. Der älteste Sohn Siegfried – „Friedl“ lernte Geige beim Violinvirtuosen Alwin Kappelsberger, der jüngere Sohn Robert Cello bei Herman Bayer. Gemeinsam besuchten sie oft die Innsbrucker Symphoniekonzerte.

Siegfried Popper wurde Handelskaufmann,  wanderte 1938 mit seiner Frau Lisl Hirschfeld nach England und später in die USA aus.

Robert Popper war Mitglied in der zionistischen Organisation „Blau-Weiss“, feierte 1935 die Promotion zum Doktor der Medizin an der Leopold Franzens Universität in Innsbruck, praktizierte als Spitalsarzt von 1935 bis 1937 in Wien und musste sein Zahnarztstudium im März 1938 abbrechen. Mithilfe eines gefälschten Reisepass bekam er ein Transitvisum nach Lithauen, wo er sich von September 1938 bis Jänner 1939 in Riga aufhält.

Die Instrumentensammlung konnte mithilfe des amerikanischen Studenten Richard Hoefener über die Schweiz und später in die USA in Sicherheit gebracht werden. Robert selbst gelang die Flucht über England in die USA, wo er seine Medizinkarriere fortsetzen konnte.

Die Eltern emigrierten nach England, wo sie ihren ältesten Sohn Siegfried wiedersahen. Laura starb 1943 und Julius 1944 in einem Altersheim. Zu einem Wiedersehen mit Robert kam es nicht mehr. (3)

Julius Popper Red Star LineAnzeige Julius Popper, 1905 (b)

Bis Oktober 1938 wohnte auch der letzte Rabbiner Dr. Elimelech Rimalt mit seiner Frau Dr. Wilma Rimalt, geb. Gelmann sowie deren beiden Söhnen David und Benjamin in der Beethovenstraße 5, im 3. Stock. Sie übersiedelten zuerst nach Wien und flüchteten dann nach Israel.

Dr. Elimelech Rimalt (c)


update 24.10.2018

Hinweis:

Ich danke dem Leo Back Institute für die Verwendung des Fotos der Familie Popper und die Digitalisierung der Aufzeichnungen von Robert Popper.

Literatur:

Martin Achrainer < Das Pogrom-Denkmal >in: Gabriele Rath / Andrea Sommerauer / Martha Verdorfer (Hg.), „Bozen Innsbruck – zeitgeschichtliche stadtrundgänge“, Folio Verlag 2000, S 85 – 89

Thomas Albrich / Michael Guggenberger < "Nur selten steht einer dieser Novemberverbrecher vor Gericht" - Die strafrechtliche Verfolgung der Täter der so genannten "Reichskristallnacht" in Österreich, Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht - Der Fall Österreich > StudienVerlag 2006, S 26-56

Katrin Ellecosta < SA-Rottenführer Josef Schäffer > in: Thomas Albrich (Hg.), „Die Täter des Judenpogrom 1938 in Innsbruck“, Haymon Verlag Innsbruck-Wien 2016, S 238

Tuviah Friedman < Die Kristall-Nacht, 9. November 1938, >Dokumentarische Sammlung, Haifa 1993

Michael Gehler < Spontaner Ausdruck des „Volkszorns“?, Neue Aspekte zum Innsbrucker Judenpogrom vom 9./10. November 1938 > in: Zeitgeschichte, 18.Jahr, Okt.1990-Dez.1991, Heft 1-12 

Gretl Köfler < Die „Reichskristallnacht“ > in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.) – Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934 bis 1945 – Österreichischer Bundesverlag Wien 1984, Band 1, S 448-462

Robert Popper < Austrian Memories > Leo Baeck Institute, 1999

Horst Schreiber / Michael Guggenberger / Niko Hofinger < "Volksgemeinschaft" als Ausschluss > in: Horst Schreiber (Hg.), „1938 – Der Anschluss in den Bezirken Tirols“,  StudienVerlag 2018

Horst Schreiber < Jüdische Geschäfte in Innsbruck - Eine Spurensuche, Projekt des Abendgymnasiums Innsbruck > Tiroler Studien zu Geschichte und Politik 1, Michael-Gaismair-Gesellschaft (Hg.), StudienVerlag 2001

Gad Hugo Sella <Die Juden Tirols – Ihr Leben und Schicksal > Israel 1979

Quellen:

(1) Laura Popper, Brief an ihre Kinder vom 18.11.1938 – in „Austrian Memories by Robert Popper“, Leo Baeck Institute – http://access.cjh.org/home.php?type=extid&term=1177611#1 – last visit 26.12.2012

(2) Claims Resolution Tribunal, In re Holocaust Victim Assets Litigation, Case No. CV96-4849 –  http://www.crt-ii.org/_awards/_apdfs/Sechzig_FG.pdf

(3) „Austrian Memories by Robert Popper“ – Leo Baeck Institute

Bildernachweis:

(a) Family Popper – Courtesy by Leo Baeck Institute < Robert Popper Collection, 1909-1999 >

(b) Der Burggräfler, Meraner Anzeiger, 4.10.1905, Nr.79, XXIII. Jahrgang, Seite 11 – Digitale Bibliothek Dr. Teßmann – http://dza.tessmann.it/tessmannPortal/Zeitungsarchiv/Seite/Zeitung/7/2/04.10.1905/50874/1

(c) Elimelech Rimalt – http://en.wikipedia.org/wiki/Elimelekh_Rimalt

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